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„Wir brauchen alle Energieträger“

Die Bekanntheit synthetischer Kraftstoffe ist in den vergangenen Monaten rasant gestiegen, unter anderem dank der MEW-Kampagne eFuel-Today. Im Sommerinterview verrät Dr. Uta Weiß, Vorsitzende der Mittelständischen Energiewirtschaft Deutschland (MEW), wie E-Fuels zur Versorgungssicherheit beitragen können, bei welchen Gegenargumenten die Kritiker unrecht haben und was sie sich vom Gesetzgeber wünscht.  

Frau Dr. Weiß, der MEW setzt sich mit der Kampagne eFuel-Today seit über eineinhalb Jahren für synthetische Kraftstoffe ein. Inwieweit könnten diese Kraftstoffe angesichts der aktuellen Lage zur Versorgungssicherheit beitragen?

Die synthetischen Kraftstoffe sind wichtiger denn je, um gemeinsam mit den nachhaltigen Biokraftstoffen die flüssigen fossilen Energieträger zu ersetzen. Dabei ist die Diversifikation ein großes Thema. Wir brauchen bei den Energieträgern eine Mischung aus Strom, Gas und E-Fuels und bei den flüssigen Kraftstoffen wiederum einen Mix aus biogenen, synthetischen und – natürlich abnehmend – fossilen. Das Thema Diversifikation betrifft gleichzeitig die Abhängigkeiten. Wir müssen bei den synthetischen Kraftstoffen aufpassen, dass wir nicht wieder zu stark auf ein Land setzen. Aber die aktuellen Initiativen zeigen ja deutlich mit Projekten in Chile, Australien und in der Mena-Region, dass ein großes Spielfeld von Importländern vorhanden ist. 

Was spricht noch für E-Fuels?

Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass wir die bestehende Infrastruktur von den Schiffen über die Importterminals und Tankläger bis zur Tankstelle weiter nutzen können. Außerdem kann man die Beimischung in den fossilen Kraft- und Brennstoffen hochfahren bis man bei 100 Prozent ist. Selbst bei geringen Blends hätte man dann schon einen positiven Effekt auf die CO2-Emissionen.

Warum tun sich so viele Politiker angesichts dieser Vorteile schwer, synthetische Kraftstoffe als weitere Option neben Strom zuzulassen?

Das Warum ist ehrlich gesagt schwer greifbar und nicht nachvollziehbar für mich. In meiner Wahrnehmung führt die Politik diese Diskussion zu ideologisch und stellt sehr einseitig die Elektromobilität in den Vordergrund. Vielleicht sperrt sich die Politik deshalb so gegen synthetische Kraftstoffe, weil sie Sorge hat, dass dadurch die E-Mobilität ins Stocken gerät. Dabei ist von vielen Seiten bewiesen, dass wir mit E-Autos allein die Klimaziele nicht erreichen können. Wir brauchen nachhaltige synthetische Kohlenwasserstoffe für alle Sektoren, nicht nur in der Mobilität, sondern beispielsweise auch in der chemischen Industrie. Deshalb sind wir als MEW nicht so ideologisch unterwegs, dass wir sagen: E-Fuels sind die einzig wahre Lösung, sondern die Diskussion sollte technologieoffen geführt werden. Denn wir werden alle Lösungen brauchen, um die Klimaziele zu erreichen. Und dabei bringt es nichts, den Verbrennungsmotor an sich zu verdammen, sondern wir müssen Möglichkeiten finden, wie wir diese Technologie klimaneutral bekommen. Und wir müssen dem Verbraucher die Wahl überlassen, mit welcher Technologie er klimaneutral werden will. 

Bei den Diskussionen bringen die E-Fuels-Gegner dann gerne das Thema Effizienz auf den Tisch …

Man darf Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Kritiker legen bei diesen Vergleichen gerne zugrunde, dass die E-Fuels mit in Deutschland hergestelltem grünen Strom produziert werden. Das ist aber eine falsche Herangehensweise. Wir wollen den in Deutschland hergestellten grünen Strom ja niemandem wegnehmen. Es geht ganz bewusst darum, den regenerativen Strom da zu nutzen, wo er im Überfluss vorhanden ist. Mit Hilfe dieses Stroms aus Sonnen- und Windenergie können wir flüssige Kraftstoffe erzeugen und auf den bestehenden Importwegen nach Europa bringen. Das ist das vernünftigste, was man machen kann. Denn hier wird es nicht genug grünen Strom geben, um allen gerecht zu werden. Indem wir flüssige Energieträge erneuerbar und klimaneutral woanders produzieren, entlasten wir hier das System.

Wo stehen wir denn aktuell bei der Entwicklung und der Produktion von E-Fuels? 

In Deutschland gibt es einige kleine Leuchtturmprojekte wie das Projekt von H&R und Mabanaft in Hamburg, um der Politik zu zeigen, dass es geht. Im großen Maßstab ist für mich das Projekt „Haru Oni“ in Chile am weitesten, an dem unter anderem Porsche und Siemens Energy beteiligt sind. Vor Kurzem kam außerdem die Meldung, dass die Partner in Australien eine Anlage bauen wollen. Es geht also voran, aber leider zu langsam. Deshalb rechne ich damit, dass es im kommenden Jahr höchstens kleinere Mengen als Beimischung an Tankstellen geben könnte.  

Welche Einschränkungen gibt es denn aktuell beim Vertrieb von synthetischen Kraftstoffen?

Generell gibt es ja zwei große Gruppen von synthetischen Kraftstoffen: Auf der einen Seite den paraffinischen Diesel, der mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren hergestellt wird. Chemisch gesehen ist dieser Diesel vergleichbar mit Gas-to-Liquids (GtL), nur dass GtL aus Erdgas eben nicht nachhaltig ist. Auf biogener Basis gibt es HVO, also hydrierte Pflanzenöle (Hydrogenated Vegetable Oils). Die große Bremse beim Einsatz von HVO und Fischer-Tropsch-Diesel ist die 10. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV), die die Verwendung von paraffinem Diesel als reinen Kraftstoff im Straßenverkehr nicht zulässt, sondern nur als geringe Beimischung. Wir als Verband fordern deshalb schon lange die Öffnung der 10. BImSchV, wie es beispielsweise die FDP in ihrem Klimaschutz-Sofortprogramm festgeschrieben hat. Das begrüßen wir natürlich sehr und hoffen, dass das vom Bundesumweltministerium auch schnellstmöglich umgesetzt wird.

Und wie sieht es bei E-Benzin aus?

Hier gibt es das sogenannte Methan-to-Gasoline, wie es beispielsweise Chemieanlagenbau Chemnitz und die Partner in Chile produzieren. Um Benzin klimafreundlicher zu machen, könnte man alternativ den Anteil von Ethanol erhöhen und beispielsweise E20 zulassen.

Nach der parlamentarischen Sommerpause stehen die Trilog-Verhandlungen zum „Fit-for-55“-Paket in der EU an. Wie bewertet der MEW den aktuellen Stand?

Die Ergebnisse der Verhandlungen werden massiven Einfluss auf das deutsche Recht haben, beispielsweise beim Thema Flottengrenzwerte. Hier sprechen die Medien ja jetzt schon gerne vom Verbrenneraus ab 2035, auch wenn diese Entscheidung noch gar nicht final gefallen ist. Gemeinsam mit unseren europäischen Dachverbänden UPEI und FETSA bemühen wir uns deshalb, E-Fuels noch in den aktuellen Entwurf reinzuverhandeln. Ein kleiner Lichtblick ist einerseits ein Erwägungsgrund zum Entwurf und anderseits, dass die EU-Kommission von den EU-Umweltministern den Auftrag bekommen hat, bis 2026 die Ergebnisse der CO2-Reduzierung von E-Fuels auszuwerten und die einhundertprozentige Klimaneutralität festzustellen. Es besteht also noch Hoffnung, dass E-Fuels auf die Flottengrenzwerte angerechnet werden dürfen. Hier müssen wir dann auf deutscher Ebene schauen, dass die europäische Regelung auch bei uns in Deutschland umgesetzt wird und greift. Sonst wird Deutschland genauso wie beim klimaneutralen Kraftstoff HVO eine Insel mitten in Europa – überall kann man es tanken, nur bei uns nicht.

Welches? 

Es dauert alles viel zu lange. Und deshalb stellen Unternehmen, die eigentlich in E-Fuels investieren wollen, ihre Projekte on hold, um abzuwarten, wie der Beschluss letztendlich aussehen wird. Niemand will verständlicherweise Millionen ausgeben, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch gar nicht feststehen. Dadurch verlieren wir wertvolle Zeit. Und das wird eine weitere Folge haben: Ich glaube nicht, dass die anderen Weltmärkte so wählerisch und zurückhaltend sein werden wie wir. Und dann laufen wir Gefahr, dass zwar Produktionsanlagen in anderen Regionen entstehen, die Mengen an synthetischen Kraftstoffen aber an andere Länder und nicht nach Europa oder gar nach Deutschland verkauft werden. 

Welche Wünsche haben Sie an den Gesetzgeber?

Eigentlich nur eines: Technologieoffenheit, weil wir alle Energieträger brauchen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Mit einer ideologischen Herangehensweise und einer Fixierung auf die E-Mobilität werden wir das nicht schaffen.

Ansprechpartnerin
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Kathleen Kollewe
Managerin Energiepolitik und Kommunikation
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