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Die mittelständische Energiewirtschaft versucht alles, um keine Tankstellen trocken laufen zu lassen

Der Rhein führt aktuell so wenig Wasser, dass Binnenschiffe diesen Transportweg nur noch sehr eingeschränkt nutzen können. Frank Schaper und Dr. Hans Wenck, Geschäftsführer der Mittelständischen Energiewirtschaft Deutschland (MEW), erklären im Sommerinterview, welche Folgen das für die Logistik hat – und ob die Versorgung nach wie vor gesichert ist. 

Im Moment führen große Flüsse wie der Rhein und die Elbe, die wichtige Transportwege für viele Güter sind, kaum noch Wasser. Wie bewertet der MEW die aktuelle Lage?

Dr. Hans Wenck: Der Wasserstand der Elbe ist zwar weniger kritisch als beim Rhein, aber die Pegel sinken weiter und es ist kein Regen in Sicht. Und gerade der Rhein ist bezüglich Energie eine wesentliche Versorgungsader in Deutschland. Bei den niedrigen Wasserständen können nicht nur weniger Schiffe mit deutlich weniger Ladung fahren. Es besteht auch die Gefahr, dass die Schiffe quer liegen und bei den engen Fahrrinnen dann eine komplette Sperrung des Transportweges die Folge ist, weil keine anderen Schiffe passieren können, wie Mitte dieser Woche geschehen. Insofern ist die Lage schon sehr dramatisch. 

Frank Schaper: Die Situation ist vergleichbar mit dem Herbst 2018, nur dass wir dieses Mal drei, vier Monate früher dran sind. Es gibt bestimmte Streckenabschnitte auf dem Mittelrhein, also südlich von Köln Richtung Schweiz, wo die Lage katastrophal ist und nichts mehr geht. Und es gibt Relationen etwas weiter im Norden Richtung niederländische Küste, wo die Pegel noch etwas höher stehen und die Schiffe immerhin auf 25 Prozent abgeladen werden können. Die Problematik besteht aber nicht nur darin, dass die transportlogistische Versorgung in Gefahr gebracht wird und entsprechende Ströme auf andere Verkehrsträger und andere Routen umgeleitet werden müssen. Ähnlich wie 2018 können die Raffinerien Probleme bekommen, wenn sie ihre Produkte nicht mehr im notwendigen Umfang über die Binnenschifffahrt absteuern können und gegebenenfalls mit ihrem Rohöldurchsatz runterfahren müssen.

Welche Herausforderungen ergeben sich in diesem Kontext für die mittelständische Energiewirtschaft?

Dr. Wenck: Eine der Hauptherausforderungen ist wie bereits 2018, schnellstmöglich das Logistikkonzept anzupassen und zu versuchen, dass man die Produkte, die typischerweise über den Rhein transportiert werden, auf andere Verkehrsträger umlegt. Die Ausweichmöglichkeiten sind nur leider begrenzt. Der Schienentransport kommt dem Schiffstransport zwar am nächsten, allerdings ist die Kapazität niedriger. Und wenn wir an den Verkehrsträger Straße denken, dann legen die Tankkesselwagen typischerweise kürzere Entfernungen von maximal 100 Kilometer zurück. 2018 waren es allerdings teilweise auch mehrere hundert Kilometer, um die Versorgung der Tankstellen aufrechtzuerhalten. Beim Güterverkehr auf der Straße kommen noch weitere Herausforderungen wie die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten und der akute Lkw-Fahrermangel hinzu. Man kann also nicht einfach so den Transport vom Fluss auf die Schiene oder die Straße verlegen. 

Ist die Situation kritischer als 2018?

Schaper: Vor vier Jahren war die schlechte Lage quasi fast ausschließlich durch die niedrigen Wasserstände auf dem Rhein geprägt. Das hat schon genügend Herausforderungen mit sich gebracht. Die Situation ist jetzt aber tendenziell noch schlechter, weil weitere Faktoren dazu kommen, beispielsweise der schlechte Zustand des Schienennetzes. Die DB Netz scheint im Moment zu versuchen, innerhalb eines kurzen Zeitraums einen Reparaturstau nachzuholen, der in den vergangenen 20 Jahren entstanden ist. Das merkt man ja auch, wenn man ganz normal mit der Bahn im Personenverkehr unterwegs ist. Dadurch ist das Schienennetz aktuell eingeschränkter nutzbar als 2018.

Was bedeutet die Lage denn für den Endverbraucher?

Schaper: Wenn wir davon ausgehen, dass der Rohölpreis stabil bleibt, dann kann man trotzdem einen leichten Anstieg der Preise erwarten, weil über veränderte und angepasste Logistikkonzepte die Transportkosten zunehmen werden. Hinzu kommt unabhängig vom Rheinniedrigwasser, dass Ende dieses Monats die Energiesteuerabsenkung wegfällt und man davon ausgehen kann, dass es relativ zeitnah Anfang September eine zusätzliche Preisanpassung nach oben geben wird. 

Dr. Wenck: Im Moment ist sichergestellt, dass keine Tankstellen trocken laufen. Wie das jedoch in einem Monat aussieht, weiß niemand. Da gibt es eine Menge zusätzlicher Faktoren, die schwer abzuschätzen sind, etwa wie es mit den Importen aus Russland weitergeht. Da kommt auf die mittelständischen Unternehmen einiges zu, um die Situation für den Verbraucher zu lösen, sprich wie man improvisieren kann, wie man Mengen schnell von A nach B bekommt und wie man sich gegenseitig unterstützt. Aber das sind ja gerade die Stärken des Mittelstands. Und wenn ab Februar 2023 wirklich keine Produktimporte aus Russland mehr möglich sind, dann ist mit einer Preiserhöhung zu rechnen, weil diese Mengen woanders beschafft werden müssen, insbesondere Dieselkraftstoffe. Wenn diese auf dem freien Markt gekauft werden, dann steigen die Preise entsprechend an. Das wird nicht nur in Deutschland und Europa der Fall sein, sondern weltweit. Dadurch werden sich voraussichtlich auch die Produktpreise zunehmend von den Rohölpreisen entkoppeln.   

Wie reagiert denn die Politik auf die aktuelle Lage?

Schaper: Die Art und Weise, wie die Politik versucht, mit dem Thema Versorgung im allgemein umzugehen, ist nicht direkt eine Reaktion auf das Rheinniedrigwasser. Es ist eher eine Reaktion auf die zu erwartenden logistischen Herausforderungen, wenn das sechste EU-Sanktionspaket Anfang Dezember 2022 beziehungsweise Februar 2023 bezogen auf Fertigprodukte aus Russland greift. Wir haben das Gefühl, dass man mit Hochdruck basierend auf dem Energiesicherungsgesetz versucht, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass es keine Versorgungsengpässe gibt. Eine Lösung kann sein, dass den Energietransporten auf der Schiene eine absolute Priorität gegenüber anderen Gütern sowie dem Personenverkehr eingeräumt wird. In diese Überlegungen, wie solche Energiekorridore aussehen könnten, sind die Wirtschaft und die Verbände miteinbezogen. Wir gehen davon aus, dass dieser Prozess Mitte oder Ende September abgeschlossen ist. 

Dr. Wenck: Zusätzliche Maßnahmen können sein, dass am Wochenende be- und entladen werden darf, dass möglicherweise die Länge der Züge ausgeweitet wird, dass Personalengpässe ausgeräumt werden, indem man weiter im Voraus plant. Wir haben zudem angesprochen, dass die DB Netz AG ihren Baustellenplan dahingehend nochmals kritisch checken soll, ob es Optimierungspotenziale gibt und ob man wirklich angesichts der aktuellen Situation alle Reparaturen so geballt umsetzen muss. Eine weitere Forderung bei der Thematik Reparaturstau ist natürlich, dass es künftig nicht mehr so weit kommt, sondern dass man das Schienennetz – wie man das üblicherweise macht – gleichmäßig pflegt. Auch das Netz muss insgesamt weiter ausgebaut werden. Aber aus unserer Sicht ist die Regierung tatsächlich darum bemüht, dass genug Energie nach Deutschland und zum Konsumenten kommt. Wir können uns nicht beklagen, dass das Thema Versorgungssicherheit nicht genug Aufmerksamkeit erhält, sondern es wird mit einer Top-Priorität behandelt.  

Ansprechpartnerin
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Kathleen Kollewe
Managerin Energiepolitik und Kommunikation
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